Aus dem Kriegstagebuch von Fähnrich Röder zur Schlacht bei Altenkirchen

 

Die Ereignisse der Schlacht bei Altenkirchen am 4 Juni 1796.

Auszug aus dem Kriegstagebuch von Fähnrich Röder im Bataillon Leibregiment, verfasst von Leopold Bleibtreu.

Der Schlachtverlauf am 4 Juni 1796 aus Sicht von Fähnrich Röder:
(Anmerkung: Einige Teile des Tagebuchs, die in alter Sprachform geschrieben sind, wurden nach bestem Gewissen übersetzt. Für die Richtigkeit übernimmt der Autor keine Gewähr).

Den 2 Juni 1796 marschierten wir (Anmerkung: die österreichische Armee) durch Weyerbusch und Altenkirchen zurück ins Lager auf der Höhe von Kroppach. Die Stellung auf der Höhe von Kroppach war eine im Voraus gewählte, wohl zur Versammlung des größten Teils des Armeecorps, um auf den von Siegburg vorrückenden Feind zu warten. Zur reinen defensiven Verteidigung war sie nicht geeignet, da der Feind sie in der linken Flanke fassen konnte. So sprach sich Generalleutnant Bechtold aus Hessen aus und so kam sie auch mir vor. Nur blieben die Truppen aus, denen wir hier entgegen sehen zu können glaubten.
In Altenkirchen stand ein kleines Korps Truppen auf der Höhe hinter der Stadt mit 10 Geschützen, meistens 12-Pfünder (Anmerkung: Höhen von Almersbach). Rechts rückwärts zu Kroppach wieder ein so kleines Korps, von dem unsere 4 hessendarmstädtischen Bataillone den Hauptbestandteil ausmachten, den rechten Flügel ziemlich gut an das Revier der Großen Nister angelehnt.
(Anmerkung: Nach Auswertung aller Kenntnisse bestand das Hauptcorps der Österreicher bei Altenkirchen und Kroppach aus 10 Bataillonen und 14 Kavallerieeinheiten mit gesamt etwa 15000 Soldaten. Wogegen die Franzosen am Morgen des 4 Juni 1796 in 3 Kolonnen, die zusammen 13 Bataillone und 12 Eskadronen von etwa 25000 Soldaten ausmachten, vorrückten. Die Division Colland rückte gleichzeitig auf der Heerstraße (heutige B 8) zur Unterstützung nach. Der Prinz von Württemberg fühlte sich unvermögend, es mit so einer ansehnlichen Macht aufzunehmen und entschloss sich zum Rückzug in der Hoffnung, Hachenburg und Höchstenbach gegen das Eindringen des Feindes mit Vorteil zu verteidigen. Der linke Flügel bei Altenkirchen war aber so in das Geschehen eingespannt, dass der beschlossene Abzug nicht sogleich stattfinden konnte).

Den 3 Juni ging der Feind gegen Weyerbusch vor und erkundete die Stellung der Österreicher in Altenkirchen und Kroppach, weshalb wir aus unserem Lager daselbst vorwärts marschierten und uns, wie es schien, an die Große Nister verlegten. Abends kehrten wir an den alten Lagerplatz zurück.
Das Lager selbst, es war um die Mittagszeit, war inzwischen abgebrochen und die Zelt- und anderen Wagen über Hachenburg nach Freilingen zurückgeschickt worden. Die sogenannte schwere Bagage (Anmerkung: schweres Gepäck) war gleich am Morgen nach Rennerod zurückgegangen. Wir hatten also die Nacht schon wieder zu biwakieren und weitere Biwaks in Aussicht.
Den 4 Juni 1796 rückte der Feind, die Division Levebvre und die Division Colland mit insgesamt etwa 25000 Soldaten auf die Chaussee (Anmerkung: heutige B 8) gegen Altenkirchen in die Stellung auf der Höhe hinter dieser Stadt vor. In Altenkirchen befanden sich außer der schon erwähnten Reserve-Artillerie zwei Bataillone des Regiments Jordis mit etwa 3000 Soldaten. Die Brücke über den Wiedbach war mit einer Kompanie von etwa 100 Soldaten dieses Regiments besetzt. Auf und abwärts dieses Bachs, sowie in den Gärten der Stadt, war leichte Infanterie verteilt. In Almersbach, was links der Stellung lag und über welches man, nach Passierung des Wiedbachs, die Stellung auf der Höhe der linken Flanke angreifen konnte, war, wie ich hörte, ein ganzes Bataillon mit etwa 1000 Soldaten (Anmerkung: plus 10 Geschütze) desselben stationiert. Gegen Almersbach richtete der Feind dann auch eine besondere Kolonne von mehreren Bataillonen, während er mit der Hauptkolonne die Stellungen der Stadt Altenkirchen angriff und gleichzeitig die Stellung der Front bedrohte. Altenkirchen bemeisterte er sich ohne beutenden Widerstand zu finden, und im ersten Anlauf sogar der Wiedbrücke.
Eine andere Seitenkolonne des Feindes mit 4 Bataillonen und 2 Schwadronen von etwa 50 Soldaten hatte den alten Weg von Weyerbusch nach Kroppach genommen, um links mit seiner Hauptkolonne zwischen dem Wiedbach und der Großen Nister durchzubrechen. Letzterer hatten wir zu begegnen.

Oberst von Lindau bekam den Befehl, mit seinem Bataillon und den Schützen des Leibregiments, die zusammen die Stärke einer Kompanie hatten, dem Feind die Durchquerung des Eichelhardter Waldes zu sperren und ihn hier so lange wie möglich aufzuhalten. Auch das zweite Bataillon Leibregiment und das Grenardierbataillon rückten wie gestern vor. Wir, das erste Bataillon Leibregiment aber sollten die Ehre haben, dem Feinde, welcher etwa die Stellung links von Altenkirchen umgehen wollte, zuvorderst die Spitze zu bieten. Unsere anderen Bataillone mögen mehr Staffeln rechts rückwärts von uns gebildet haben. Man führte das erste Bataillon Leibregiment durch das Dorf Giesenhausen vorwärts in eine Waldgegend. Die Gegend, wo wir uns aufstellten, wurde die Schafstallhecke genannt. (Anmerkung: Die Lage der Schafstallhecke ist die heutige B 414 von Altenkirchen Richtung Hachenburg, die Einfahrt nach Michelbach nehmend, direkt rechts in der Verlängerung der Graf-Zeppelin-Straße im freien Feld).
Leibkompanie und Graf Lehrbach-Kompanie und das erste Halbbataillon unter Kommando des Stabskapitäns Fenner wurde links der sogenannte Schafstallhecke (was ein großer Wald war) in Busch und bebuschte Wiesen postiert, am weitesten vorwärts und am nächsten zum Wiedbach. Leutnant Strecker mit den Schützen des ersten Bataillons war in den Hecken und einem Graben zu beiden Seiten des Dorfes Niederingelbach platziert, durch welches der Hauptweg, den wir zu verteidigen hatten und sich dann so weiter durch den hinterliegenden Wald zog.
Das zweite Halbbataillon unter Kapitän Hermanni und der Oberst-Kompanie unter Stabskapitän von Schenk war zur Unterstützung der Schützen bestellt, und ich glaube auch, demnächst bis ans Dorf vorgerückt. Leutnant von Bergofsky mit den Schützen des zweiten Bataillons Leibregiment, den ich nicht sehen konnte, dürfte im Walde rechts zur Deckung der rechten Flanke des ersten Bataillons und eines dortigen Waldwegs aufgestellt gewesen sein. Ich selbst war mit 40 Soldaten zur Deckung der linken Flanke des Bataillons entsendet und an der linken Waldecke postiert. Ich hatte den am weitesten vorgelegenen Posten auf dieser Seite. Wenigstens befanden sich zwischen mir und der Höhe jenseits des Wiedbaches, wo sich die Straße von Altenkirchen nach Hachenburg befand, keine weiteren Truppen. Ich sollte das Vordringen der feindlichen Schützen (Triailleure) in einem schmalen, mit Gehecke durchzogenen Wiesentälchen verhindern. Ich hatte diesen Posten eben besetzt, als das Gefecht bei der Stadt Altenkirchen begann. Das Hinaufjagen der feindlichen Kavallerie auf die Höhe, wo das Geschütz (Anmerkung: 10 Geschütze) donnerte, konnte ich zum Teil von meinem Posten aus sehen. Und aus dem Getümmel auf dem Berge und dem plötzlichen Verstummen des Kanonendonners konnte ich darauf schließen, dass das Geschütz eingenommen und das Regiment Jordis besiegt worden war. Später konnte ich in Erfahrung bringen, dass insgesamt 10 Geschütze und 2 Fahnen sowie die meisten der sich bei den Geschützen befindlichen Soldaten verloren gingen und es nur ein paar hundert Versprengte die Bergabhänge hinunter laufend schafften, sich zu retten.
Nach dieser Katastrophe wurden wir anschließend sofort angegriffen und die feindliche Kavallerie versuchte, bei uns durchzubrechen. Kaum hatte eine feindliche Schützenkompanie gegen mich und das erste Halbbataillon das Gefecht eröffnet, als auch schon auf dem Hauptweg zum Dorf eine Schwadron ansprengte und in das Dorf eindringen wollte, die jedoch durch das unerwartete Feuer unserer Schützen abgedrängt wurden. Doch als diese anschließend durch die feindlichen Schützen unterstützt wurden, versuchte die Schwadron erneut, sich des Dorfes Niederingelbach zu bemächtigen, drang ein und ritt hindurch, wurde aber durch die Gewehrsalven der gut positionierten Oberstkompanie zurückgeworfen. Leutnant Strecker gewann dadurch Zeit, sich mit seinen Schützen aus den Umgebungen des Dorfes zurückzuziehen, in welches jetzt geschlossene Infanterie einrückte. Oberst Lindau verteidigte anschließend die Stellung hinter dem Dorf und den Eingang des Waldes gegen mehrmals wiederholte Angriffe, bis er angesichts der Übermacht seine Position aufgeben und sich zum Teil links hin in die rechte Flanke des Bataillons bewegte. Es trat nun an der Front für einige Zeit ein Stillstand ein und nur bei mir wurde noch heftig geschossen.
Meine Schützen waren unterdessen viel zu gut gedeckt und zu vorteilhaft positioniert und auch zu brav, als dass sie von der Überzahl der feindlichen Schützen hätten vertrieben werden können. Doch schickte mir Kapitän Fenner den Befehl zu, bis an den Waldsaum zurückzuweichen, da das Bataillon sich auch am Walde aufgestellt habe.
Oberst von Lindau erhielt indessen durch eine im Galopp erschienene Ordonnanz den Befehl, sich sofort nach Kroppach zurückzuziehen, wohin schon alles, was zwischen der Wiedbach und Nister stand, zurückgegangen sei, da der Feind heftig auf die Chaussee (B 414) vorrücke. Lindau brach sogleich mit dem zweiten Halbbataillon und den Schützen auf und gab ferner den Befehl, schnellstens mit dem ersten Halbbataillon zu folgen, sobald dieses seine Truppenteile eingesammelt habe. Oberst von Lindau ließ mich nun durch eine Ordonnanz abrufen. Ich konnte indessen meine Schützen, da sie in verschiedenen Stellungen positioniert waren, nicht so schnell wie gewünscht sammeln. Dadurch wurde ich mit meinem Zug dazu bestimmt, die Nachhut zu bilden. Ich fand, als ich den Weg, den es zu verteidigen gab, erreichte, Leutnant Dittmar mit einem Zug der Leibkompanie dort stehen, um dem Feind den Eingang in den Wald zu versperren. Kapitän Fenner war unterdessen mit dem Rest des ersten Halbbataillons abmarschiert. Dittmar wurde heftig angegriffen, als ich von der Seite ankam und so die Gelegenheit nutzte, der schon in den Waldeingang eingedrungenen Masse eine Salve in die rechte Flanke zu geben, so dass sich der Feind zurückzog. Wir hatten kaum Zeit, ein paar Worte miteinander zu wechseln um auszumachen, wie wir uns zurückziehen wollten, als der Feind wieder versuchte, in den Wald einzudringen. Dabei schossen die feindlichen Schützen fortwährend. Dittmar wurde getroffen und stürzte, als die Masse kaum noch 20 Schritte von ihm entfernt war, während er sich, mit dem Bajonett bewaffnet, als Anführer seiner Truppe dem Feind entgegen warf. Ich nahm nun schnell das Häufchen, welches von meinen Schützen übrig geblieben war, um seine Abteilung beim Kampf gegen den Feind zu unterstützen. Unsere riesenhaften Burschen fanden sich nun, da es zum Kampf Mann gegen Mann gekommen war, in ihrem Element. Die Gewehre wurden herumgedreht, die Kolben sausten auf des Feindes Köpfe und jeder fühlte sich einem Dutzend von ihnen gewachsen. Es dauerte nicht lange, bis dass sich eine 40 Mann starke Schützenkette der Leib- und Lehrbachkompanie bildete, die hinter Bäumen positioniert, den Feind mit Gewehrsalven aus dem Wald vertrieb. Ich ließ Leutnant Dittmar, der schwer verwundet war, zurückbringen und machte Anstalt, abzuziehen. Ein feindlicher Stabsoffizier brachte seine Leute jedoch wieder zu einem neuen Bajonettangriff, den wir mit unseren Gewehrkolben mit Leichtigkeit und ein wenig Gespött zurückschlugen, da die Bajonettspitzen es nicht wagten, den sausenden Kolben zu nahe zu kommen. Ich erhielt dadurch einen Stich in den Kopf von dem Bajonett meiner eigenen Leute, da sie den Kolben schwingend, es nicht vom Gewehr abzunehmen Zeit hatten, der aber schief ging und so weiter nichts schadete. Feindliche Schützenkompanien hatten uns zwischenzeitlich an den Flanken umgangen und drückten meine Schützenlinie in die Mitte, so dass wir Schüsse von hinten bekamen. Es galt nun, durchzubrechen und in dem Augenblick, als der Feind vorne wieder zu schießen begann, rief ich nun, dass sich alle Leute sofort zurückziehen sollten. Im selben Augenblick begann das Zurücklaufen in einem Klumpen, wobei wir so auch unaufhaltsam ein ganzes Bataillon hätten durchschreiten können. Die obschon dichte Schützenlinie unserer Feinde staubte auseinander, als wir darauf losstürzten und was sie daran hinderte, auf uns zu schießen. Wir rannten nun des Weges aus dem Wald hinaus, wo ich als der Leichteste zuerst ankam und die Leute, die von dem langen Lauf außer Atem waren, sammelte, indem sie mich vor dem Wald stehend winken sahen. Ein Kommando hätte wahrscheinlich niemald gehört, obwohl ich meine Stimme noch unter Gewalt hatte. Ich bekam noch etwa 70 Mann von etwa 100 zusammen. Soviel ich wusste, hatte ich bis jetzt nur einen Toten gehabt, 5 bis 6 Verwundete waren unter uns. Vielleicht waren einige im Wald liegen geblieben und dem Feind in die Hände gefallen. Nach Formung meines Trupps und der Bestimmung von etwa 20 Leuten zur Nachhut, erschienen wieder einige Feinde. Aber nicht diese, mit denen wir Berührung hatten, sondern jene, die einem Trupp von Bergkofskys Schützen nachgejagt waren und auf diese ich das Feuer eröffnen ließ. Leutnant Bergkofsky, den ich später traf, war auch mit einem Trupp von 12 bis 15 Leuten durchgekommen und ich konnte ihm so viele seiner Leute wiedergeben.
Die Husaren von Barco, welche in einer Gruppe etwa 700 Schritte von der Waldgrenze hielten, glaubten in uns anfangs Feinde zu sehen, bis sie uns zum Wald hin feuern sahen. Nun kam ein Offizier von ihnen angejagt, der uns seitens seines Kommandeurs aufforderte, uns sofort zurückzuziehen, da er nicht länger bei uns verweilen dürfe und auf uns warten könne. Er mochte wohl Recht haben, aber ich wollte unter ihren Augen und mit der Gruppe nicht laufen und in Unordnung kommen, da ich dem Himmel dankte, wieder in Ordnung gekommen zu sein. So setzte ich mich nur in einen raschen Marsch, ließ zwar auch eine Strecke im Hundstrab laufen, aber zweimal Halt und Kehrt machen, wenn auch nur eine Minute. Den Husaren von Barco dauerte dies viel zu lang, sie zogen geschlossen ab, bevor ich sie erreicht hatte. Ich machte mit der Infanterie so etwa 20 Minuten lang die Nachhut des gesamten Korps. Als ich die Chaussee (B 414) erreicht hatte, ließen mich die Husaren voran und jetzt erst ließ ich die Soldaten auf der Straße laufen, immer vorweg laufend und nicht duldend, von meinen Leuten überholt zu werden. Unweit von Hachenburg, auf einem Hofgut (Anmerkung: Dabei könnte es sich um das Jagdschloss Luisenlust bei Müschenbach gehandelt haben, das nur ein paar Stunden später von den Franzosen zerstört wurde), traf ich mit meiner Nachhut wieder auf die Truppen der Oberstkompanie, die auf uns gewartet hatten, und in der Altstadt (Ortsteil von Hachenburg) rückte ich mit ihr wieder ins Bataillon ein.